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Grundlagen II: Übersicht

Texten oder hypertexten?

Für die Beantwortung der Frage, inwiefern man für Online-Medien anders schreiben muss als für gedruckte Medien, ist es sinnvoll, zwischen drei Typen von Hyperdokumenten zu differenzieren, die in der Werkstattsprache des WWW allesamt als "Hypertexte" bezeichnet werden: Hypertextdokumente, Hypernetze und E-Texte.

E-Texte sind linear organisierte Texte, die in ein Hypernetz eingebunden, aber nicht modularisiert und für die selektive Lektüre aufbereitet sind. Im Vordergrund steht die kostengünstige und schnelle Publikationsmöglichkeit oder - wie z.B. im Falle von großen literarischen Textsammlungen wie dem Projekt Gutenberg - die computergestützte Suche und Textanalyse. Für die Publikation von E-Texten ist das Format PDF (Portable Document Format) inzwischen weit verbreitet.



Abb. 1: E-Text (aus Beißwenger 2000, S. 104).
Beispiele:
Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung (PDF-Version)
Der Wolf und die sieben Geißlein

Hypertextdokumente (kurz auch Hypertexte, auch Webpackages) sind Einheiten mit einer übergreifenden Textfunktion und einem erkennbaren Thema, das in autonom rezipierbaren, durch Links verknüpfen Modulen abgehandelt wird. Oft stiftet eine Print-Medium her vertraute Textsortenbezeichnung (z.B. Online-Wörterbuch, Online-Biographie) den Zusammenhalt zwischen den Modulen.



Abb. 2: Hypertextdokument (aus Beißwenger 2000, S. 104).
Beispiele:
Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung
Suchfibel (Stefan Karzauninkat)

Hypernetze verknüpfen Hypertextdokumente und E-Texte durch Hyperlinks. Es kann sich um institutionell zusammengehaltene Teilnetze handeln (in der Werkstattsprache des WWW oft als "Site" bezeichnet) oder um Netze, die Hyperdokumente nach bestimmten Gesichtspunkten und Themen verknüpfen (in der Werkstattsprache des WWW neuerdings als "Portale" oder "Portals" bezeichnet). Das WWW selbst kann als weltumspannendes, riesiges Hypernetz angesehen werden, das aus einer wachsenden Anzahl von Teilnetzen besteht, sich in steter Veränderung befindet und in seiner Gesamtheit von niemandem überblickt werden kann.

Abb. 3: Hypernetz.

Beispiele:
Projekt Gutenberg
Portal: Wissen.de
Web-Community zu Familienthemen

Wer fürs WWW schreibt, muss also nicht unbedingt hypertexten. Bislang wird die nicht-lineare Informationsaufbereitung noch wenig genutzt (vgl. z.B. die Studien in Wagner 1998, Mehlen 1999). Schließlich ergeben sich auch durch die Online-Publikation von E-Texten im WWW bereits Mehrwerte gegenüber der parallelen Publikation in der gedruckten Zeitung, speziell was die elektronische Archivierung und Wiederverwertung betrifft. Ob ein Thema als E-Text oder als Hypertext aufgearbeitet wird, hängt ab von der journalistischen Zielsetzung, der Art des Themas, vor allem aber von der Zeit, die für die Aufbereitung zur Verfügung steht. Hypertexte sind aufwendiger zu erstellen, eignen sich deshalb eher für Themen von langfristigem und breitem Interesse. Die für Hypertext typische Collagetechnik bietet sich an für Themen, die sich gut in Teilthemen aufspalten lassen, die unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden können, die kontrovers diskutiert werden und zu denen interessantes Bild-, Ton- und Videomaterial vorliegt. Hypertextdokumente lassen sich allerdings nur am Bildschirm rezipieren: Erst die Browser-Software stellt die Werkzeuge bereit, um die selektiven und interaktiven Rezeptionsmodi zu nutzen, Tondateien abzuhören, Videosequenzen abzupielen, Chaträume zu betreten und sich an Nutzerumfragen zu beteiligen. Hyper-Texten heißt deshalb, für den Bildschirm schreiben, für Rezipienten, die mit der Maus oder dem Trackball in der Hand vor dem Monitor sitzen und wenig Muße für die Lektüre langer und komplizierter Texte mitbringen.

Längere E-Texte werden häufig nicht am Bildschirm gelesen, sondern ausgedruckt und auf Papier gelesen. Es ist deshalb sinnvoll, neben der für den Bildschirm gedachten Version eine Druckversion anzubieten, die auch auf Papier gut aussieht. Als vertiefende Lektüre zwischendrin oder im Anschluss an eine WWW-Sitzung können deshalb längere E-Texte mit Gewinn als Module in Hypertextdokumente eingebaut werden. Die Kombination von Texten und Hypertexten ist also kein Bruch mit dem Hypertext-Prinzip, sondern erhöht dessen Mehrwertpotential. Es wird vielleicht gerade die richtige Mischung von E-Texten und Hypertextdokumenten sein, die in Zukunft die gute Online-Zeitungen ausmacht.

Eine für die Arbeitsplanung wichtige Unterscheidung ist die zwischen offenen und geschlossenen Hypertextdokumenten (vgl. Storrer 2001):

  • Geschlossene Hypertextdokumente verfügen über eine feste Anzahl von Modulen und sind konzipiert als statische Produkte mit stabiler Struktur und verbindlich zitierbaren Inhalten.
  • Offene Hypertextdokumente befinden sich in ständigem Auf- und Umbau und haben typischerweise "offene Enden", an denen die Autoren und Benutzer weitere Module anknüpfen können. Online-Beiträge, die über offenene Enden verfügen, müssen nach ihrer Publikation im Netz kontinuierlich betreut und "gepflegt" werden.

Die Stärke der WWW-Technologie liegt darin, offene und geschlossene Form, die beide zu unterschiedlichen Zwecken wichtig sind, kombinieren zu können. Journalistisch besonders interessant ist dennoch die offene Form. Sie erlaubt es, Hypertextdokumente zu laufenden Ereignisse oder zu aktuellen Streitfragen über eine unbestimmte Zeitspanne hinweg im Gespräch zu halten. Die Module können dabei laufend aktualisiert werden, neue Module und Links zum Thema können dazu kommen, das Thema kann von den Lesern kommentiert und diskutiert werden. Dadurch entsteht ein Hypertext, der nicht einmal durchlaufen, sondern mehrfach besucht wird, um es mit der üblichen Metapher auszudrücken.

Offene Hypertexte haben eine zeitliche Schichtung, die dem Leser transparent gemacht werden sollte. Wichtig ist die Angabe des Datums, an dem ein Hypertext bzw. ein Modul erstellt wurde; ebenso wichtig ist das Datum der letzten Änderung. Liegt kein bestimmter Aktualisierungturnus fest, sollte zumindest klar sein, ob das Modul überhaupt noch auf Aktualität überprüft wird oder ob es sich um ein "eingefrorenes" Modul handelt.


Zum Weiterstöbern:

Produktion und Rezeption von (Hyper-)Textangeboten im WWW (M. Beißwenger)

Zum Weiterlesen:

M. Mehlen: Die Online-Redaktionen deutscher Tageszeitungen. Ergebnisse einer Befragung von Projektleitern. In: C. Neuberger/J. Tonnemacher (Hg.): Die Zukunft der Zeitung? Das Engagement deutscher Tageszeitungen im Internet. Opladen. Wiesbaden 1999, S. 88-123.
A. Storrer: Schreiben, um besucht zu werden: Textgestaltung fürs World Wide Web. In: H.-J. Bucher/U. Püschel (Hg.): Die Zeitung zwischen Print und Digitalisierung. Opladen. Wiesbaden 2001, S. 173-207.
F. Wagner: Sind Printmedien im Internet Online-Medien? In: R. Pfammatter (Hg.): Multi-Media-Mania. Reflexionen zu Aspekten neuer Medien. Konstanz 1998, S. 191-211.
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